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    Zeitenwende im Tourismus: Lock down, rise up!

    Tirol, 2030: Es war einmal eine Krise. Vor Corona wussten wir noch, was morgen passieren würde. Heute ist klar: Die Zukunft hatte im Jahr 2020 schlagartig eine ganz andere Richtung genommen als die bis dahin von uns erdachte.

    Wenn Possibilisten über die Welt nach Corona reden – wann immer dieses Danach auch beginnen wird –, dann ist das eine Welt, in der verschiedenste Prozesse bereits passiert oder zumindest gestartet worden sind. Heute, im Jahr 2020, sind wir alle Teil einer #Zeitenwende – keiner gemächlichen, die sich kaum merklich ereignet, sondern einer abrupten. Nun ist eine Zeitenwende in der Retrospektive immer ein logisch erscheinender Paradigmenwechsel. Kein Mensch hinterfragt heute noch die Notwendigkeit der Industrialisierung, niemand möchte zurück zum Stummfilm und auch, wenn man über das Thema Motorisierung diskutieren kann, dürften wir uns darin einig sein, dass eine Pferdekutsche für die allermeisten von uns keine gangbare Alternative zum Automobil wäre. Alles hat sich im Verlauf der Zeit scheinbar gemäß einer gewissen logischen Abfolge entwickelt. Auch wenn es zu Lebzeiten derjenigen, die diese Veränderungen – passiv –mitmachten, eben nicht unbedingt so logisch erschien.

    Wird es in einigen Jahren auch so logisch sein, dass der Tourismus sich wandelte – in dieser und durch diese Krise? Dass Hoteliers, gezwungenermaßen befreit von Zwängen des Alltags, entdeckten, dass das Geschäftsmodell der bloßen Bettenvermietung nicht mehr funktionierte und der zumindest zeitweise vorhandene alpine Overtourism nicht das war, was man als Gastgeber wollte? Nicht das, was Tirol und seine Menschen für ihre Zukunft brauchten? Dass die Maximal-Auslastung, welche die Prämisse all unseres Handelns bildete, weder uns erfüllte noch den Gast? Und dass die Bevölkerung bei der Gestaltung des Tiroler Tourismus plötzlich nicht mehr nur Zaungast war, sondern mitredete, mitgestaltete? Wie werden wir zurückdenken auf die Jahre vor Corona? Und noch viel wichtiger: Werden wir diese Zeitenwende tatsächlich zu unserem Vorteil nützen können oder bleiben wir passive Zuseher?

    Wir waren auf diese Krise vorbereitet. Vielleicht nicht auf das Virus, nicht finanziell und auch nicht in so manch anderer Hinsicht. Aber wir haben und hatten bereits seit Jahren Mittel, um diese Krise überstehen zu können: Unser intellektuelles Vermögen. Und ebenso die Technologie, um neu aufzuerstehen. Nicht als die Selben, aber vielleicht als die Besseren. Die Sinn-Erfüllteren, die Nachhaltigeren, die Vernetzteren. Jetzt wird sichtbar, wie viele vernetzte, digitale Strukturen bereits vorhanden sind und welch unglaublichen Wert sie für uns haben: Kinder und Studenten werden über E-Learning unterrichtet, Yogaklassen finden über Videostreaming statt und Meetings aus dem Home-Office über Videokonferenz-Tools, Obsthändler und Restaurants stellen ratzfatz Online-Shops samt Lieferservice auf die Beine, weltweit laufen Hunderttausende PCs unter dem dezentralen Rechenprojekt folding@home mit dem Ziel, der Wissenschaft bei der Suche nach einer Lösung im Kampf gegen Covid-19 zu helfen. Lediglich Urlaubsreisen bleiben vorerst ein rein virtuelles Vergnügen. Doch auch dieses Vergnügen kann aufbereitet werden.

    Corona ist in vielerlei Hinsicht ein Lockdown – und ein Rise up gleichermaßen. Der familiengeführte Tourismus, wirtschaftliches Rückgrat des Landes und leider oft genug auch Verhinderer von Veränderungen, kann jetzt vom Krisenmodus auf Möglichkeitsmodus schalten: Hin zu einer Zukunft, die nicht back to the roots führt, sondern weg vom Modell des klassischen Beherbergungsbetriebs. Weg vom (Massen)tourismus, der sich mit #Qualität nicht vereinen lässt. Denn Qualität ist seit jeher das, was Tirols Tourismus sich auf die Fahnen heftet. Damit die Fahne weiter und glaubwürdig hochgehalten werden kann, braucht es frische Zugkraft. Es geht dabei nicht nur um eine Neudefinition des Inhalts, sondern auch um die Art und Weise dessen Umsetzung. Die Krise zeigt, dass #Regionalität und #Digitalisierung zwei wesentliche Rettungsanker sind, die das Land am Laufen halten. Gerade das wurde vom Tourismus aber zu oft vernachlässigt. Das Potenzial der „eigenen” Leute wurde bisher zu wenig erkannt oder genutzt. Doch ein zukunftsfähiger Tiroler Tourismus kann nur aus dem Land selbst heraus erstehen.

    Wenn wir schon einen Reset machen müssen, dann booten wir das Ganze doch mit einem ganz neuen Betriebssystem hoch. Wir haben alles, um eine Zeitenwende möglich zu machen. Das Wissen ist da, die Technologien sind da, das Potenzial ist da, die Strukturen sind vorhanden. Leitbilder gibt es ebenfalls – wer wird die tragfähigen als erster erkennen und umsetzen? Wer wird darin Visionär sein, wer Early Adopter – und wer wird es bis zum Schluss nicht verstanden haben und zurückbleiben?

    Text: Christian Fohrmann / Sonja Niederbrunner (storylines.at)
    Foto: Markus Spiske von Pexels

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