Die zukünftige Bedeutung klassischer Websites im Tourismus

Wenn Websites im Tourismus durch KI-Gatekeeper zu Datenlieferanten degradiert werden und die Wertschöpfung damit zu BigTech wandert.

Die Transferarbeit mit dem Titel „Die zukünftige Bedeutung klassischer Websites im Tourismus angesichts generativer KI und neuer Interaktionstechnologien – Eine Szenario-Analyse bis 2035“ wurde von Ing. Christian Fohrmann im Rahmen des Zertifikats-Lehrgangs „Strategic Foresight & Futures Thinking“ erstellt.

Der folgende Auszug fasst die Kernergebnisse, die Methodik und die strategischen Implikationen dieser zukunftsorientierten Analyse zusammen:

Die Zukunft der Website: Von der digitalen Visitenkarte zum Daten-Feed?

1. Die strategische Herausforderung

Die Transferarbeit befasst sich mit der drängenden Forschungsfrage, wie generative KI und neue Interaktionstechnologien (wie AR/VR) die Wertschöpfung und die primären Funktionen klassischer Websites im Tourismus bis 2035 verändern könnten. Die Relevanz der Problemstellung ist hoch, insbesondere im Kontext der Plattformökonomie.

Historisch gesehen hat sich die Rolle der Website von einer statischen „digitalen Broschüre“ (Web 1.0) zu einem dynamischen, suchmaschinenoptimierten Vertriebskanal (Web 2.0) entwickelt. Heute besteht die größte Gefahr für Tourismusunternehmen darin, die direkte Kundenbeziehung und die Markenbildung zu gefährden, falls die Kontrolle über die Kundenschnittstelle verloren geht.

2. Methodik: Szenarien zwischen KI und Immersivität

Zur Beantwortung der Forschungsfrage wurde eine prospektive Analyse basierend auf einer vereinfachten Szenariotechnik (nach Gausemeier et al., 2016) durchgeführt, wobei die Prinzipien der Futures Literacy (UNESCO, 2018) den Rahmen bildeten.

Zentral für die Szenarioentwicklung waren zwei Schlüsselfaktoren, die aus einer PESTEL-Analyse der externen Treiber abgeleitet wurden:

  1. Integration von generativer KI: Diese Technologie verändert die traditionelle Informationsarchitektur grundlegend und birgt ein enormes Potenzial für Effizienzsteigerung und Kostensenkung, aber auch erhebliche Unsicherheit bezüglich des Ausmaßes der Integration.
  2. Akzeptanz neuer Interaktionstechnologien (AR/VR): Der Markterfolg von Augmented und Virtual Reality hängt stark von der soziokulturellen Annahme durch die Nutzer ab, die entscheiden müssen, ob sie neue Hardware akzeptieren und traditionelle Such- und Buchungswege verlassen.

3. Die vier Zukunftsszenarien bis 2035

Durch die Kombination der extremen Ausprägungen dieser zwei Schlüsselfaktoren wurden vier divergente, plausible Zukunftsszenarien skizziert:

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  • Szenario 1: Das Anpassung-Szenario (Websites werden smarter, aber nicht ersetzt): Hohe KI-Integration trifft auf geringe AR/VR-Akzeptanz. Die klassische Website bleibt das Interface, wird aber durch KI-gesteuerte Personalisierung optimiert, um die Kundenbindung und Effizienz zu steigern.
  • Szenario 2: Das Immersive-Erlebnis-Szenario (Websites werden zu digitalen Erlebnissen): Hohe KI-Integration trifft auf hohe AR/VR-Akzeptanz. Die zweidimensionale Website tritt in den Hintergrund und wird durch interaktive, dreidimensionale und emotionale Erlebnisse abgelöst oder ergänzt.
  • Szenario 3: Das Beständigkeit-Szenario (Websites bleiben im Wesentlichen gleich wie bisher): Geringe KI-Integration trifft auf geringe AR/VR-Akzeptanz. Es treten kaum disruptive Veränderungen ein, und der Fokus liegt weiterhin auf traditionellen SEO- und Content-Strategien.
  • Szenario 4: Das KI-Gatekeeper-Szenario (Websites verlieren ihre Funktion als Kundenschnittstelle): Sehr hohe KI-Integration trifft auf geringe AR/VR-Akzeptanz. Dies ist das radikalste Szenario: Mächtige, externe KI-Assistenten (Gatekeeper) übernehmen die gesamte Customer Journey. Die eigene Website wird zu einem reinen Daten- und Content-Feed degradiert, und die Wertschöpfung verschiebt sich komplett zu den Technologieanbietern.

4. Strategische Schlussfolgerungen (Handlungsimperative)

Wenn das KI-Gatekeeper-Szenario eintritt, ist ein tiefgreifender, strategischer Paradigmenwechsel für Tourismusakteure notwendig. Anstatt sich nur auf die Gestaltung der eigenen Website zu konzentrieren, muss die Strategie auf Daten-Souveränität und API-Readiness umgestellt werden.

  • Hotels und Beherbergungsbetriebe müssen ihre touristischen Leistungen (Preise, Verfügbarkeit) über standardisierte, strukturierte APIs (z.B. Schema.org) für KI-Plattformen zugänglich machen.
  • Destinationsmanagement-Organisationen (DMOs) müssen ihre Rolle neu definieren und sich als „Trusted Data Authority“ etablieren, um die Qualität, Neutralität und Aktualität der touristischen Informationen für KI-Systeme zu sichern.

Die zentrale Erkenntnis ist: Strategisch relevant ist alles, was den eigenen Content, die Produktdaten und die Buchbarkeit über offene, standardisierte Schnittstellen maschinenlesbar macht. Nur entschlossene Investitionen in technische Infrastruktur, Datenqualität und intelligente Plattformpartnerschaften können sicherstellen, dass Werte und Leistungen in einer KI-gesteuerten Tourismuswelt sichtbar und buchbar bleiben.

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